Es ist ein Ort, den die Meisten buchstäblich „übergehen“. Für dich aber als Angehöriger und vielleicht sogar (von der Familie) designierte Organisatorin des Begräbnisses, ist es ein ungeahnt essentieller Bereich des Friedhofes, der wundervolle Dinge für das Begräbnis bewirken kann. Wenn man ihn richtig nutzt.
Der Vorplatz hilft dir viele Emotionen, Abläufe und Erlebnisse des Begräbnisses zu steuern und negative/erdrückende Erwartungshaltungen schon vor Beginn (!) aufzubrechen.
Das würdest du ihm gar nicht zutrauen?
Nahezu eine jede Aufbahrungshalle (und auch jede Kirche in der eine Aufbahrung stattfinden kann!), besitzt einen Vorplatz. Sei es nur um das gegebenenfalls zu kleine Fassungsvermögen der Halle selbst zu vergrößern, oder nach dem Auszug den Sarg statt am Grab beim Einladen in den Leichenwagen im großen Kreis zu verabschieden. Der Vorplatz wird generell dreifach genutzt: Vor, während und nach der Zeremonie.
Ich werde dir heute zeigen, wie du diesen Platz für Dich und die Deinen an diesem Tag möglichst sinn- und Positives stiftend nutzen kannst. Nicht aus Zufall; wie Du es vielleicht schon erlebt hast, sondern als bewusstes Element des Ablaufes eurer Begräbnisfeier.
Stau vor der Aufbahrungshalle
Meistens ist nur die Aufbahrungshalle geschmückt und sämtliche Utensilien warten in ihr auf die Nutzung durch die Gäste: z.B das Kondolenzbuch. Dieses steht typischer Weise gleich in oder hinter der Türe. Bei Begräbnissen mit vielen Gästen (>50) kann sich bereits ab etwa 30min vor START (ab da kommen die Meisten) ein Stau nach außen bilden. Dieser wiederum verhindert, dass ein Teil der Gäste den Mut hat, vor dem Eintragen ins Kondolenzbuch in die Halle zu gehen und Sarg/Urne und der Familie ihre Aufwartung zu machen. Anstatt also persönliche Momente am Friedhof miteinander zu verbringen - tut man Stau-stehen. Mitunter bis das Begräbnis beginnt (>80 Gäste) und das Eintragen muß abgebrochen werden.
Steht das Kondolenzbuch aber vor der Halle (natürlich Wetter-bedingt) können die einen in Trauben beisammenstehen und plaudern und sich dann eintragen gehen, wenn die Anderen fertig sind.
Was auf dem Vorplatz passiert, stimmt ein.
Gerade bei kleinen Aufbahrungshallen ist ein Lautsprecher „für Draußen“ unerlässlich. Sonst hört keiner im Außenbereich was Priester, Redner oder Angehörige sagen. Der Lautsprecher draußen kann also bereits zum Stimmung-machen am Vorplatz genutzt werden.
Beispiel: Ich war vor einer Woche bei einem Begräbnis, wo der Musikwunsch nach „seiner Lieblingsmusik“ (Queen) mit dem „wir haben so schöne deutsch gesungene Lieder – das verstehen sonst manche nicht, was wir damit aussagen wollen“ der Familie nicht ganz in Einklang zu bringen war. Aber, seine Tochter ließ seine Lieblings CD von Freddie Mercury bereits 30min vor der Halle „im Hintergrund“ des Vorplatzes spielen.
Sie hat damit bereits auf die Stimmung der kommenden Gäste gewirkt und es war den Leuten klar, „das wird kein 0815 Begräbnis mit bedrückender Stimmung in der Halle“ noch bevor es losging. Lies mehr über Musik für ein Begräbnis hier nach.
Vor der Aufbahrungshalle kann man laut sein
Eigentlich auch darin, aber die meisten finden den Mut dazu vor der Halle. Drinnen bleibt es oft beim kurzen und knappen Kondolieren; „Mein Beileid“ und der Nächste steht vor den Angehörigen. Hier kannst du also steuern wie du am Tag des Begräbnisses mit deinen Gästen interagieren möchtest! Wühlt dich die bedrückende Stimmung einer Aufbahrungshalle (düster, schummeriger Kerzenschein und das dunkle Bartuch über dem Sarg) zu sehr auf, geh doch einfach auf den Vorplatz nachdem du selbst deinen ruhigen Moment des Abschiedes in der Halle mit ihm/ihr gehabt hast.
Tipp: auf dem Vorplatz steht meist ein Aschenbecher!
Wer HIER seine Gäste in Empfang nimmt (und das musst nicht zwingenderweise Du selber sein!), der kann viel Verabsäumtes noch „unter die Leute bringen“. Lies bald in meinem Blog was viele in der Parte vergessen haben, ihren Gästen mitzuteilen.
Wer seine Gäste draußen begrüßt, verändert die Stimmung beim Begräbnis
Mitunter sind Traugesellschaften laut. Was immer dann als Pietätlos empfunden wird, wenn die Familie mit dem bereits anwesenden Teil ihrer Gäste schweigend die ganzen 30min vorher drinnen verbringen möchte. Sie wünschen sich Ruhe und Besinnlichkeit vor dem folgenden zeremoniellen Akt. Ein Schild der Bestattung auf dem Vorplatz mit: „Um Ruhe wird gebeten“ macht alles klar.
Auch ein „Die Familie bittet von Beileidsbekundungen Abstand zu nehmen“ vor der Halle gibt den Begräbnisgästen das „richtige Verhalten im Umgang mit der Familie“ vor.
Es wäre aber definitiv besser, dies schon in die Parte zu schreiben.
Man kann es aber auch weniger „hart“ machen:
Ein Beispiel: Der Schwiegersohn, der den verstorbenen Vater noch gar nicht so gut kannte, wird gebeten, vor der Halle die Gäste folgendermaßen zu begrüßen: „Hallo! Schön, dass Ihr da seid. Die Schwiegermama freut sich total darüber, dass ihr kommen konntet. Schaut, sie sitzt da drüben im Schatten vor der Halle und während der Y und die Z bei ihr sind…geht vielleicht rein und habt euren Moment mit dem Papa. Du kannst die Krawatte ruhig runter nehmen, wir machen das heute nicht so förmlich…und ich glaube die Mama wird sich sicher freuen, wenn du ihr statt dem „mein Beileid“ eine schöne Geschichte aus deinem Erlebnis mit dem Papa erzählst. Aber..weißt eh..sie hat bisserl Angst vor dem laaaangen Kondolieren nachher beim Grab und wird wahrscheinlich zur Halle zurückgehen, damit sie nicht so lange stehen muß. Und ihr beide seid natürlich nachher zum Wirten eingeladen.“
Siehst du wie viele wertvolle Informationen in dieser Begrüßung drinnen waren, die den Gästen helfen sich „richtig“ zu verhalten?
Erahnst du, wie es bereits JETZT die Einstellung der Gäste dem Begräbnis und dem Umgang mit der Familie gegenüber verändert und hilft?
Kannst du dir vorstellen, was diese Informationen in der Parte bereits für Wirkung gehabt hätten und wie sie die Gäste auf den Tag eingestimmt hätten?
Alles erst in der Halle? Nahezu unmöglich, wenn alle in der Schlange stehen.
Beim Kommen der Gäste draußen – Gold wert.
Nutze den Platz vor der Aufbahrungshalle NACH dem Zeremoniell in der Aufbahrungshalle
Beim aus-der-Halle-kommen Manche Dinge funktionieren aus organisatorischen Gründen einfach nicht „vor/während der Zeremonie“, sind aber nachher eine wundervolle Ergänzung gleich draußen „vor der Halle“.
Tipp: Luftballone als Symbol des Loslassens vor der Aufbahrungshalle steigen lassen
Ein Beispiel: Die ganze Familie hat Oma immer zu Weihnachten am Christkindlmarkt getroffen. Natürlich beim Punschstandl. Oma verstarb während Corona – kaum einer konnte sie zu Weihnachten (aufgrund des Besuchsverbotes) mehr sehen. Zu ihrem Begräbnis stellte die Familie eine riesen Punschterrine vor die Aufbahrungshalle. Jeder Gast bekam (nach meiner Rede in der Halle) einen Becher heißen Punsch um (am Vorplatz im Kreis um den Sarg stehend) auf Oma noch ein letztes Mal anzustoßen.
(natürlich gab es einen Müllsack in dem die Gäste ihre Becher entsorgen konnten)
Nach der Beisetzung ins Grab
Am Grab ist oft zu wenig Platz für ein Beisammenstehen.
Ältere Gäste tun sich schwer mit dem langen Stehen am erdig welligen Friedhofsboden.
Nach Regen ist die Erde der Wege aufgeschwemmt und das Schuhwerk meist nicht wasserdicht.
Der Witwer möchte in/nach diesem Moment tiefsten Schmerzes nicht von „mein Beileid“ kondolierenden Gästen ab-defiliert werden. Er geht wieder „zurück zur Halle – da treffen wir uns wieder“.
Der Vorplatz der Aufbahrungshalle oder Kirche ist so ein unscheinbarer Ort. Ich hoffe, dass dir meine Beispiele helfen werden, ihn richtig für dich und deine Liebsten zu nutzen, wenn du ihn eines Tages brauchen wirst. Und ja, auch im Wald gibt es Sammelplätze! Nutze diese Orte am Tag eures Begräbnisses um die Stimmung, das Geschehen und den Ablauf zu beeinflussen und für euch zu einem erinnernswerten Erlebnis werden zu lassen.
Alles Gute dabei!
PS:
Sprich dich mit deiner Bestattung und ggf der Friedhofsverwaltung ab, um unliebsamen Problemen vorzugreifen. Wer keinen Mist macht und lieb frägt, dem wird gerne geholfen!