Mit Kindern über den Tod von Angehörigen oder FreundInnen zu sprechen, ist für viele Erwachsene neben all den anderen Wegen rund um ein Begräbnis der schwerste Canossa-Gang. Wann und wie es tun die Gretchenfragen. Und immer Angst vor dem, was man damit auslösen und falsch machen könnte.
Wie hat man mit dir damals „beim ersten Mal“ darüber gesprochen, dass du ihn oder sie nie wieder sehen kannst? Wie lange davor hat man dir das erste Mal gesagt, dass es passieren wird. Konnte man dich auf sein / ihr Gehen vorbereiten? Und hat man dir auch jemals pro-aktiv gesagt, dass auch du eines Tages sterben wirst?
Die meisten Erwachsenen bemerken in der Situation des bevorstehenden oder plötzlichen Todes einer dem Kind bekannten Person, dass sie mit den dann aufkommenden Fragen des Kindes selbst emotional überfordert wären. Kinder erfahren von den Erwachsenen ihres Umkreises daher meist als Letzte von der Hiobsbotschaft.
Eltern und Verwandte sind dann nämlich selbst wieder Kinder, denen meist nie oder nur vage gesagt worden ist, wie man mit dieser Situation „umzugehen hat“ oder „umgehen könnte“.
Das Beste ist:
"Gar nicht"
"Offen"
"Altersgerecht"
"Mit verniedlichender Bildsprache"
Hört man dann von besorgten Eltern.
Kinder reagieren auf die Nachricht vom Tod
Oft sitze ich bei meinen Auftraggebern im Vorgespräch für die Trauerrede und frage nach den Erlebnissen der Kinder oder Enkelkinder mit Oma oder Opa. Da kommen dann mitunter ganz grandiose und liebevolle Geschichten vom Abholen aus dem Kindergarten und wilden Swimmingpool Wasserschlachten zusammen.
Wenn ich dann aber frage, wie das Enkerl mit dem Ableben von Oma oder Opa umgeht, werden die Antworten schon etwas vager:
„Er scheint das gut zu verkraften.“,
„Sie spricht eigentlich nicht darüber.“,
„Er ist eher sensibel und macht das mit sich aus.“,
„Sie ist so von der Schule abgelenkt, dass wir da gar nicht viel darüber…“
Im Grunde ist die Antwort: „Nee, wir reden nicht drüber.“
Wenn Du dein Kind also nicht bloß mit der Tatsache „Es ist passiert.“ konfrontieren möchtest und ihm/ihr damit nur die Chance gibst auf das Unumstößliche zu reagieren, musst du bei Zeiten proaktiv werden. Das „Wann rede ich mit einem Kind über den Tod“ wird plötzlich ganz wichtig. Lies dazu bald mehr hier in meinem Blog.
Bleiben wir aber heute beim Wie und hierzu habe ich dir wieder einmal jemanden eingeladen, der sich ausgiebig mit diesem Thema persönlich wie fachlich auseinandergesetzt hat:
Britta Honeder, Mama von drei Kindern und Tierpflegerin im hauseigenen Zoo, selbständige Unternehmerin, angehende Sozialarbeiterin, ehrenamtliche Lebens-, Sterbe- und Trauerbegleiterin und Buchautorin des Kinderfachbuches Tante Tillys Tod über das Abschiednehmen und das Zu-Hause-Sterben-Dürfen.
B&B: Britta, wie nahe ist die Geschichte der kleinen Protagonistin deines Buches „Lisa“ an der Wirklichkeit?
Hmmm…Hängt davon ab, wessen Wirklichkeit. Natürlich ist das Buch ein bisschen idealtypisch geschrieben, weil es ja ein kleiner „Leuchtturm“ zu diesem Thema sein soll, das inspirieren soll, wie es sein könnte.
Das Buch soll Mut machen, eigene Lösungen zu finden, und zeigen, was eine wirkliche Bereicherung sein kann. Gerade weil dieses Thema so oft angstbesetzt und tabuisiert ist. Weil man oft die Krankenhäuser, Pflegeheime,… einfach machen lässt, weil sie es ja „wissen“. Sie wissen sicher Vieles, aber nichts über die Wünsche eines sterbenden Menschen, wenn er oder sie sich nicht traut, das zu äußern. Oder wenn die Angehörigen Angst haben, das mitzutragen und ihn/sie zu unterstützen.
B&B: Gibt es ein Rezept wie ich mit einem Kind über den Tod sprechen kann?
Nein. Im Leben wie im Sterben gibt’s keine Rezepte, die immer, überall und für jeden zutreffen. Aber es gibt grundsätzliche Haltungen, die meiner Erfahrung nach sehr hilfreich sind. Dazu gehören Ehrlichkeit und Vertrauen. Zur Ehrlichkeit gehört Mut. Sie ist die Voraussetzung für Vertrauen. Und Vertrauen beinhaltet bei diesem Thema auch das „Zutrauen“: den Kindern zuzutrauen, dass sie mit diesem Thema umgehen können. Und das oft besser als wir Erwachsenen…
Mabuse-Verlag 2021, 51 S., ISBN 978-3-86321-595-8 Bestellnr. 202595
B&B: Wovon hängt für dich die Zugänglichkeit des Kindes für das Thema ab?
*lacht* Ich denke, Kinder sind für fast alle Themen zugänglich, da Neugier auf die Welt und das Leben Kinder ausmacht – und das ist auch ihre Lebensaufgabe in diesem Alter!
Kinder hören von Toten (gerade in den letzten zwei Jahren mit all ihren Krisen und Kriegen), begegnen draußen toten Tieren, oder interessieren sich ohnehin von sich aus für das Thema. Viele Erwachsene lenken dann gern ab, weil sie die Kinder nicht traurig sehen oder machen wollen. Weil es ihnen selbst etwas gruselig ist undundund.
Dabei kann man gerade solche Momente gut nutzen, dem Tod und dem Sterben – und damit dem Leben! – ein bisschen ausführlicher auf den Grund zu gehen. Es steht uns ja schließlich allen bevor, das Sterben anderer zu erleben und auch irgendwann selbst zu sterben. Bei uns war das vor allem bei all unseren Tieren immer großes Thema und wir haben uns ausführlich Beerdigungsrituale, Grabbeigaben und den perfekten Himmel für das jeweilige Tier ausgedacht.
B&B: Worauf muss ich achten, wenn ich das Thema Tod (plötzlich) ansprechen muss?
Ansprechen MÜSSEN tu ich es ja meistens, wenn ein nahestehender Mensch (oder auch ein geliebtes Haustier) gestorben ist (sind). Da gilt für mich und für die meisten auf diesem Gebiet erfahrenen Menschen vor allem eins: so bald wie möglich und so ehrlich wie möglich. Das heißt natürlich nicht, dass man alle grauslichen Details von Tante Ullis Unfall preisgeben sollte. Aber man sollte ganz klar sagen, dass diese Person/dieses Tier tot oder gestorben ist und nicht eingeschlafen. Das macht u.U. nur falsche Hoffnungen oder auch Ängste vorm Einschlafen.
B&B: Wie können Eltern „Fehler“ oder „den Schaden für’s Leben“ verhindern?
Es kommt bei sämtlichen Kinder- und Jugendbefragungen in Bezug auf schwere Krankheit, Sterben und Tod immer wieder heraus, dass sich die Kinder und Jugendlichen unbedingt wünschen, die schlechten Nachrichten so bald wie möglich persönlich von ihren Eltern zu erfahren. Das heißt nicht, dass sie dann dankbar darauf reagieren, das darf man nicht erwarten. Aber es ist im Nachhinein und auf lange Sicht für sie ein ganz wichtiger Vertrauensbeweis. Und solange man sich daran hält wie oben schon erwähnt, aus dem Ableben des Toten keine Horrorschocker zu machen, kann meines festen Glaubens nach kein Schaden für’s Leben rauskommen
B&B: Oft hört man: „Kinder sind dafür noch zu jung – das verstehen sie noch nicht“
Was müssten Kinder denn verstehen können, damit sie sich damit auseinandersetzen „dürften“? Es macht überhaupt nichts, wenn ein jüngeres Kind noch nichts mit der Endgültigkeit des Todes anfangen kann. Ganz im Gegenteil kann es irrsinnig schön und hilfreich sein, wenn Kinder so einen unbefangenen Zugang dazu haben und nicht ständig bemüht sind, sich „trauer-gemäß“ zu verhalten. Daran können wir auch viel lernen oder auch einfach nur mitnehmen für unsere eigene Trauer.
Und andererseits begreifen Kinder so viel mehr, als wir glauben: Ich kenne nicht wenige Kinder, die den Tod und das Sterben Nahestehender auch schon vorher erahnt oder „gewusst“ haben, ohne dass ihnen irgendjemand etwas gesagt hätte.
Und apropos „Begreifen“: Es ist sehr hilfreich für Kinder, Verstorbene – so weit möglich – tatsächlich beGREIFEN zu dürfen, sprich die Toten sehen und anfassen zu dürfen. Dann wird viel klarer, dass es „nur noch“ eine Hülle, ein Körper ist. Das macht den Abschied oft fassbarer – leichter möchte ich in diesem Zusammenhang nicht unbedingt sagen.
Ich kann mich selbst immer noch gut an ein – vielleicht banal klingendes – Beispiel aus meiner Kindheit erinnern, als mein Vater ganz wohlmeinend meinen verstorbenen Vogel (den ich nur noch lebend gesehen hatte) vorsorglich schon mal begraben hatte, und ich beim kurz darauf einsetzenden Schneefall ständig furchtbare Angst hatte, dass mein armer Charly furchtbar frieren würde. Bei allen anderen Tieren durfte ich „begreifen“ und sehen – und hatte diese Ängste nie.
Und: Kinder (fast) jeden Alters freuen sich, wenn sie Verantwortung übernehmen, wenn sie beim Abschied mitgestalten dürfen, wenn ihre Ideen, Gedanken und ihre Kreativität gefragt sind. Das ist so schöne gemeinsame Trauerarbeit! Davon profitieren am Ende alle Beteiligten, das verbindet und trägt – und ist sicher auch im Sinne der Verstorbenen!
B&B: Kinder werden von alt gewordenen oder gebrechlichen Angehörigen manchmal beinahe ferngehalten…
…und das ist unglaublich schade. Aus eigener Erfahrung: Es gibt wenig Schöneres als Kinderlachen und –quietschen im Pflegeheim oder im Hospiz. Versprochen!…Das macht allen Beteiligten so wunderschön und ohne große Worte deutlich, dass der Tod nie das Ende ist und dass niemand „nicht mehr schön/lebendig/… genug“ für diese Welt ist. *lächelt*
Man muss nur den Mut haben, Kinder offen und ehrlich auf einen etwaigen körperlichen Verfall (das gilt übrigens auch bei Verstorbenen), auf eventuelle Veränderungen o.ä. vorzubereiten und sie nachher auch mit ihnen bei Bedarf zu besprechen.
B&B: Kann ein Buch den Unterschied machen?
Ja! *lacht wieder* Da muss ich "ja" sagen!
Nein, ich glaube ehrlich, dass gute Bücher einen riesengroßen Unterschied machen können. Geschichten sind etwas zutiefst Menschliches, früher wurde die menschliche Geschichte, Kulturgut u.ä. nur in Geschichtenform weitergegeben. Ich denke, das steckt auch noch sehr in uns. Ich finde, es braucht gerade für die großen und zentralen Lebensfragen nach Leben, Sterben und Sinn Geschichten, die tragen, die leuchten, die nicht moralisieren, die einfach gut tun dürfen und den Weg bereiten für unsere eigenen Geschichten. Zumindest geht es mir so – und ähnliche Erfahrungen habe ich mit meinen und vielen anderen Kindern (nicht nur!!) gemacht.
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