Zwischen Ansteckungsprävention und Wurschtigkeit
"Wie kondoliere ich den Angehörigen?"
"Wie nah darf jemand neben mir stehen / sitzen?"
"Wie viele Personen dürfen in die Halle?"
"Wie reagiere ich, wenn mich jemand umarmen möchte?"
"Werden die anderen meine Zurückhaltung vor Berührungen verstehen?"
Das sind nur wenige der Fragen, die momentan im Vorfeld eines Begräbnisses gestellt werden. Ja sogar noch am Friedhof kurz vor dem Eintreffen der Trauergäste noch nicht klar für viele Gäste sind.
Es ist gar nicht so leicht rechtskonform hier Auskunft geben zu können, da es von dir lieber Leser abhängt, wo du zum Beispiel in Österreich wohnst und wann du während der Corona Pandemie dir begonnen hast, diese Fragen zu stellen, oder diesen Beitrag liest.
COVID 19 ist und bleibt in seiner Verbreitungsform nichts anderes als ein Grippevirus.
Und hierzu meine Erkenntnis:
Ich bin seit 8 Jahren Grabredner. Ich war davor nie wirklich zu Weihnachten krank. Durch meinen Beruf bekomme ich aber regelmäßig „Rotz und Wasser in die Hand“ beim Begrüßen, Kondolieren, Verabschieden oder Bedanken. Jedes Jahr bin ich pünktlich zur Grippezeit mindestens eine Woche fix und fertig und kugle täglich in der Badewanne. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie vielen ich beim Händedruck Grippeviren einfach weitergereicht habe, die sich dann mit ihren Taschentüchern zu den Nebenhöhlen gefahren sind. Und alles nur weil es vor Corona absolut unhöflich gewesen wäre, der Witwe oder Enkeltochter den Händedruck zu verweigern.
Sieh dir folgendes Video an, wenn du es noch nicht kennst und frage dich, wo du überall deine Hände während einem Begräbnis gehabt hast; Vom Schauferl für die Erde zum Nachwerfen bis hin zum lieb-haben und Drücken deiner lange nicht gesehenen Verwandten aus Rest-Österreich oder Rest-Europa.
Fakt ist, kein anderer gesellschaftlicher Umstand des vergangenen Jahrhunderts, hat uns so über unser Verhalten einander gegenüber auf einem Friedhof nachdenken lassen wie dieser Virus.
Durch ihn gibt es auf einmal ein neues „weil sich’s so g’hört – weil man das jetzt so macht“.
Und endlich, denken wir einmal ein Bisschen über unser Tun miteinander in einer Aufbahrungshalle, während des Konduktes und am und nach dem Grab nach.
Auf einmal sehe ich über 70 jährige Damen mit Blauschimmer im frisch dauergewellten Haar sich gegenseitig fist-bumpen (aus der amerikanischen Ghetto Szene kommend). Knallbunte Corona-Masken zerreißen die farbliche Monotonie der schwarz gekleideten Reihen in der Aufbahrungshalle. Es wird Ellenbogen-gecheckt und Füße werden zusammengeklopft, als wäre man beim Fußballtraining. Und alles ist OK, weil alle sich gegenseitig anerkennen und eingestehen ahnungslos zu sein.
Und das Schöne ist, wir hören nicht bloß beim Gesundheitsgedanken auf über unsere Begräbnisriten nachzudenken. Lies hierzu Begräbnisriten - Alles nur Show?
Alleine die Fragen: “Was darf ich denn jetzt? Darf ich mich umarmen lassen? Darf mir jemand bei der Kondolation die Hand schütteln? Wann nehme ich meine Maske denn wieder ab?“ konnte man während der ganzen ersten Welle nicht eindeutig beantworten.
Ich sage es ganz offen:
Was Corona mit unserer Bestattungskultur macht, ist eigentlich grandios!
Wir haben endlich begonnen zu hinterfragen. Wir erkennen alle unsere Ahnungslosigkeit und die Nutzlosigkeit unserer alt-hergebrachten Riten, die für uns in Wirklichkeit bedeutungslos sind. Und das nur, weil jemand uns von einem Tag auf den anderen gesagt hat: „So kannst du es jetzt nicht mehr machen“.
Auf einmal fragen wir uns selber: “wenn das jetzt nicht – was tut uns dann eigentlich gut?“
Wir sind gerade dabei unsere Kultur in vielen Bereichen neu zu definieren. Der Friedhof und das Begräbnis ist nur ein Ort unserer gesellschaftlichen Ahnungslosigkeit. Ein Ort wie viele andere an dem wir bisher lammfromm ohne zu hinterfragen, erwartungsgemäß getan haben.
Und niemand wußte im März 2020 welche Fragen und Hürden auf die Bestattungsbranche, die Hinterbliebenen und Begräbnisgäste durch COVID 19 zukommen würden. Was geschah waren an vielen Ecken Reaktionen aus Hörensagen. Weil Informationen nicht schnell genug in den Kreis der Informations-Bedürftigen von Seiten der Regierung und Organisationen eingebracht wurden. Breite Ahnungslosigkeit und Selbstentscheidung war an der Tagesordnung. Vielerorts gab es bei Dienstleistern Panik-Entscheidungen aufgrund wegbrechender Auftragszahlen.
Was ist momentan Fakt – was ist momentan § Recht?
Ich lasse nun ganz bewusst Verweise auf Rechtsvorschriften aus lieber Leser und lege dir ein ganz besonders Wortspiel der gesamten Corona-Zeit 2020 ans Herz.
Du hast es hunderte Male gelesen und gehört: “xy empfiehlt“.
Nicht bestimmt, nicht verordnet, sondern empfiehlt.
Du liest doch auch diesen Blog gerade, um von mir eine Empfehlung zu bekommen, wie du dich verhalten sollst.
Ich sage dir definitiv nicht, du sollst die Rechtsvorschriften missachten.
Aber ich sage dir, lege ab, was vielen von uns Corona wirklich gebracht hat – nämlich Wurschtigkeit.
Wir Österreicher sind vor den Kulissen immer die braven Erfüller, aber wenn keiner uns auf die Finger schaut, gibt es Sodom und Gomorra. Welchen Sinn hat es, wenn in der Wiener Feuerhalle 40 Begräbnisgäste brav mit einem Meter Abstand zueinander und hinter ihren Masken geschützt sitzen und an der Trauerfeier vorschriftsmäßig teilnehmen, wenn die selben Herrschaften vor der Halle einander im Kollektiv um den Hals fallen und die verweinten Wangen und verrotzten Nasen aneinander reiben? Was nutzt es, wenn wir fragen: “brauche ich die Maske bei Ihnen Herr Bestatter überhaupt in der Halle – die anderen haben’s ja auch nicht auf?“
Wir müssen über unsere „nur wenn der andere auch diese Unannehmlichkeit über sich ergehen läßt“- Einstellung hinwegkommen.
Wer glaubt Corona sei nur eine Farce – nur ein politischer Hokuspokus sollte genau wie alle anderen danach trachten, dass wir denjenigen, die es vielleicht bloß behaupten, das Argument entziehen. Wenn grob gesprochen keiner mehr Corona hat, gibt es das Argument nicht mehr. Dann können Pharma Konzerne nicht mehr Milliarden mit Impfstoffen machen und Regierungen nicht mehr mit Angst-Kampagnen Wähler mobilisieren und sich als Volksretter inszenieren.
Wir sind selber schuld, wenn wir aus Trotz und Wurschtigkeit Maßnahmen unterlassen, die der Verbreitung dieses Virus nicht entgegenwirken.
Wir als Gesellschaft sind schuld, wenn wir von März bis jetzt Oktober es nicht geschafft haben Corona den Nährboden zu entziehen und damit die uns lästigen Maßnahmen zu beenden. Wir geben mit unserer Wurschtigkeit nur denen Macht, die mit diesen Maßnahmen über uns entscheiden.
Tipp:
Kläre die Erwartungshaltung deiner Gäste für den Begräbnistag schon so früh wie möglich mit ihnen ab . Definiere von dir aus, was von deiner Seite und Seite der Familie von den Gästen erwartet wird.
„Dürfen wir dich drücken, dir die Hand schütteln?“ beantwortest du am Besten bereits in deinen Parten, die du vorher postalisch zusendest und den Erinnerungskärtchen, die am Halleneingang oder Kirchentor am Tag X aufliegen.
Bedenke, dass du der Veranstalter bist! Die Verantwortlichkeit liegt nicht beim Bestatter als deinem Erfüllungsgehilfen. Er kann dich informieren über die momentane rechtliche Lage. Die Show ist deine als zahlender Kunde und damit auch die Verantwortlichkeit der Umsetzung rechtlicher Vorschriften oder lokal geltender behördlicher Einschränkungen.
Mache dich zu einem emanzipierten Kunden im Thema Bestattung. Denn vielleicht bist du schon bald während Corona bei einem Begräbnis Gastgeber oder Gast.
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